Die Unterschriftenaktion „Ehrenbürgerschaft für Fritz Bauer – auch als Vorkämpfer gegen das §175-Unrecht“, die wir gemeinsam mit dem Projekt „Der Liebe wegen“, der Weissenburg und LSVD+ Baden-Württemberg angestoßen haben, erfährt breite Unterstützung. Mehr als 1.200 Menschen unterstützen das Anliegen. Über 200 Kommentare auf der Plattform Open Petition bekräftigen den Wunsch, Fritz Bauer als demokratisches und moralisches Vorbild in Stuttgart sichtbarer zu machen. Nach Gesprächen mit dem zuständigen Amt in der Stadtverwaltung Stuttgart wird aber klar: Eine Ehrenbürgerschaft kann laut der baden-württembergischen Gemeindeordnung nicht posthum an jemanden verliehen werden. Wir wollen aber weitermachen, weil es andere Möglichkeiten gibt.
Stadt verweist auf Gemeindeordnung BW – und bringt neue Ehrungsformen ins Gespräch
Die Stadt Stuttgart betont in einem Schreiben des Sachgebiets Grundsatz- und Rechtsangelegenheiten vom 17. Oktober 2025, dass sie das Wirken Fritz Bauers mit voller Überzeugung unterstützt. Gleichzeitig verweist sie auf § 22 der baden-württembergischen Gemeindeordnung. Nach ihrer rechtlichen Einschätzung dürfen Ehrenbürgerschaften nur an lebende Personen vergeben werden. Wir hinterfragen diese Auslegung weiterhin (siehe hierzu: „Ehrenbürgerrecht für Fritz Bauer: Rechtslage weniger eindeutig als behauptet – der politische Wille ist gefragt“) und führen unsere Unterschriftenaktion wie geplant bis zum 23. Januar 2026 fort.
Zugleich begrüßen wir ausdrücklich, dass die Stadt neue Formen des Gedenkens und der Ehrung ins Gespräch gebracht hat. Unser Anliegen bleibt es, gemeinsam Wege zu finden, um Fritz Bauers Lebenswerk sichtbar zu machen – als Zeichen einer Stadt, die Verantwortung übernimmt, aus ihrer Geschichte lernt und demokratische Werte lebendig hält.
Posthume Ehrung als starkes Zeichen moralischer Verantwortung
Positiv bewerten wir insbesondere, dass die Stadt auf das Beispiel Göttingen hinweist, wo eine neue Ehrungskategorie für Verstorbene geschaffen wurde, die zwischen Ehrenbürgerschaften für Lebende und posthumen Ehrungen unterscheidet. Das zeigt: Posthume Ehrungen können weit mehr sein als Straßen- oder Platznamen oder Gebäudetitel – sie können ein starkes Symbol moralischer Wertschätzung und historischer Verantwortung sein.
Straßen- und Platzbenennungen – wichtig, aber nicht ausreichend
Straßen- oder Platzbenennungen, etwa ein zentraler Platz nahe Bauers ehemaligem Amtsgericht wie vom Journalisten Jan Sellner vorgeschlagen, unterstützen wir ebenso. Doch diese allein können Bauers Bedeutung nicht vollständig gerecht werden.
Bauer kämpfte unermüdlich gegen das Vergessen der Verbrechen der NS-Diktatur, gegen die Straflosigkeit von NS-Tätern und erhob als hoher Staatsbeamter bereits in den 1950er-Jahren auch gegen die Diskriminierung homosexueller Menschen seine Stimme. In Stuttgart, besonders am Landgericht und im Hotel Silber, dem ehemaligen Sitz der Gestapo und der städtischen Kriminalpolizei nach 1945, wurde das §175-Unrecht noch bis in die 1960er-Jahre auf besonders menschenverachtende Weise angewendet, so dass auch ehemalige KZ-Häftlinge wie Karl Zeh erneut wegen ihrer Homosexualität inhaftiert wurden.
Diese Tragödie ist Teil unserer (Stadt-)Geschichte, sie verlangt nach einer angemessenen Erinnerung, die Bauers Mut, seine Weitsicht und seinen unermüdlichen Einsatz für Gerechtigkeit deutlich sichtbar macht. Dabei sollte Stuttgart endlich auch Bauers Rolle als Vorkämpfer gegen das §175-Unrecht angemessen würdigen. Gerade in Zeiten, in denen demokratische Werte unter Druck geraten und rassistische wie queerfeindliche Tendenzen zunehmen, ist es wichtiger denn je, mutige Menschen wie Fritz Bauer in das Bewusstsein der Stadtgesellschaft zu rücken und sein Wirken stärker ins öffentliche Gedächtnis zu holen.
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg: Andere Möglichkeiten einer Würdigung
Die Stadt nennt weitere rechtliche Bedenken, etwa dass „Ehrenbürgerwürde“ in Baden-Württemberg synonym mit Ehrenbürgerschaft in der juristischen Kommentarliteratur verwendet wird. Warum aber dann nicht eine eigene Ehrung für verstorbene Persönlichkeiten einführen, die sich besonders für demokratische Grundwerte, Menschenrechte und Gerechtigkeit eingesetzt haben und dabei auf Begriffe wie Ehrenbürgerwürde und Ehrenbürgerrecht verzichten? Diese Ehrung könnte bewusst außerhalb des §22 GemO liegen. Mögliche Namen könnten sein: „Stuttgarter Gedenkehrung“, „Ehrengedenken der Landeshauptstadt“ oder gar „Fritz-Bauer-Ehrung“.
Wir haben der Stadt mitgeteilt, dass wir die Diskussion über eine solche neue Ehrungskategorie transparent und öffentlich führen möchten, gemeinsam mit der interessierten Stadtgesellschaft und den demokratischen Parteien im Gemeinderat. Eine neue Ehrung, die auch die rechtlichen Bedenken der Stadt berücksichtigt, kann zeigen: Erinnerung ist kein Rückblick, sondern ein Auftrag nach vorn, für Zivilcourage, Menschlichkeit und demokratische Haltung. Sie würde Stuttgart als Stadt profilieren, die aus der Geschichte lernt und Mut belohnt. Zugleich wäre sie ein wichtiger Impuls für die Weiterentwicklung der kommunalen Erinnerungskultur – ein starkes und ermutigendes Zeichen für demokratische Haltung, gegen Rassismus und Queerfeindlichkeit.
Die Unterschriftenaktion läuft weiter bis zum 23. Januar 2026 wie geplant. Es kann weiterhin unterschrieben werden.
Veranstaltungstipp
Filmvorführung „Fritz Bauer: Die Akte General“ mit anschließender Diskussion zum Thema: Warum setzen wir uns für die Ehrenbürgerschaft von Fritz Bauer in seiner Geburtsstadt Stuttgart ein? Am 17. Januar 2026, 18 Uhr, Weissenburg, Weißenburgstr. 28a. Veranstalter: AG Queere Erinnerungskultur „Der Liebe wegen“ des Weissenburg e.V. mit Unterstützung der Abteilung für Chancengleichheit der Landeshauptstadt Stuttgart und der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber.
Wer mehr über Fritz Bauer erfahren möchte: Für alle, die Fritz Bauers Lebensleistung und seine herausragende Bedeutung für queere Menschen bisher noch nicht kennen, haben wir einige informative Beiträge und Hintergrundmaterialien zusammengestellt: siehe die Begründung zur Unterschriftenaktion sowie (2) und (3). (2) und (3) gehen dabei genauer auf die lange nicht nur in der Stuttgarter Erinnerungskultur ausgeklammerte „homosexuelle Neigung“ von Bauer ein, die er zeitlebens auf Grund des §175-Terrors unsichtbar machen musste.
Vielen Dank an Ralf Bogen von der AG Queere Erinnerungskultur „Der Liebe Wegen“ für’s Zusammenstellen der Infos!

